Die Lebens-Kurzgeschichte von Jürgen Lauber

Mir wurde nichts in den Schoß gelegt. Aber ich hatte unendlich viele Chancen.

Bezüglich Bildung, sozialem Status und finanzieller Mittel der Eltern komme ich aus einfachen Arbeiterverhältnissen. Die Möglichkeit, als Teenager bei Reitturnieren Preise zu gewinnen, und gleich mit der Volljährigkeit ein Auto sowie ein Motorrad zu besitzen, musste ich mir selbst erarbeiten. Das war gut so.

Nach der Ausbildung zum Biologielaboranten holte ich in zwei Jahren das Abitur nach und schloss mit 9 Fachsemestern ein Universitätsstudium zum Dipl.-Ing. Elektrotechnik ab.
Frisch verheiratet zog ich in den südlichsten Teil des Schwarzwalds und begann für ein großes, familiengeführtes Unternehmen der Messtechnik zu arbeiten. Schnell kam die Beförderung zum Abteilungsleiter.

Zwei Jahre später stand im US-Tochterunternehmen eine Verlagerung und Fusion an. Meine Frau und ich zogen nach Indianapolis. Sie pendelte zur Fortführung ihres Volkwirtschaftsstudiums zwischen Deutschland und den USA hin und her.

Für 18 Monate hatte ich einen US-Arbeitsvertrag, dann stand ein Wechsel von Arbeitsort, Arbeitgeber und Branche an.


Ich hatte bei einem mittelständischen, eigentümergeführten Antriebs-/Maschinenhersteller im mittleren Schwarzwald die Stelle eines Exportmanagers angenommen.

Bei Arbeitsantritt, einige Monate nach Vertragsunterzeichnung, befand sich der neue Arbeitgeber kurz vor der Insolvenz und wurde von einem Sanierer der Banken geführt. Dieser reduzierte die Belegschaft um 20% und beförderte mich als Branchenneuling im Alter von 31 Jahren gleich am ersten Tag zum Leiter von Vertrieb, Marketing und technischem Kundensupport.

Dreieinhalb Jahre später wurde das Unternehmen nach erfolgreicher Sanierung, mit überarbeiteter Produktpalette und wachsender Kundenbasis meistbietend an den US-Konzern Parker Hannifin verkauft. Meine Ehefrau war damals gerade mit dem zweiten Kind schwanger.

In den folgenden zweieinhalb Jahren durchlebte ich zwei komplette Fiskaljahre und etliche interessante Budget-/Review-Runden im US-Hauptquartier des damals vier Milliarden Dollar schweren Konzerns. Das war lehrreich. Aber kein gutes, d. h. forderndes und förderndes, berufliches Umfeld für mich.

Deshalb folgte ich dem Ruf meines ersten Arbeitgebers (familiengeführtes Messtechnik-Großunternehmen) und zog mit meiner Frau und den zwei kleinen Kindern in die Umgebung von Mailand. In der Rolle des Direktors eines lokalen Produktionswerkes sollte ich für die Eigentümer vor Ort die erfolgreiche Einführung von SAP und den geplanten Unternehmensumbau sichern.

Nach zwei Jahren Arbeiten und Leben in Italien stand die Einschulung meiner Tochter an – und damit die Entscheidung für einen längerfristigen Lebensmittelpunkt. Ich entschied mich, das Angebot von Saia-Burgess, einem börsenkodierten Schweizer Industrieunternehmen, für eine Konzernleitungsposition anzunehmen. Im August 1999 zog ich mit der Familie in die französischsprachige Westschweiz.

Ab Mitte 2000 wurde mir die operative Führung und Sanierung des Geschäftsbereiches „Elektronische Steuerungstechnik“ (Controls) anvertraut. Eine 150 Personen kleine, weitgehend selbständige Unternehmenseinheit auf der Basis einer neu gegründeten Schweizer AG mit eigenen, internationalen Vertriebsgesellschaften entstand.
In der Gruppenleitung ging es sehr stark um Merger & Akquisition-Transaktionen. Die Saia-Burgess Gruppe kaufte in sieben Jahren für eine halbe Milliarde Euro Umsatz dazu – solange, bis sie selbst aufgekauft wurde.

Im Herbst 2005 wurde nach einer langen Übernahmeschlacht die Schweizer Saia-Burgess Gruppe Teil des hongkong-chinesischen Kleinmotorenherstellers Johnson Electric.

Mein „Electronic Controls“ Unternehmen wurde als reines Finanzinvestment behandelt. Ich war nicht mehr Mitglied einer Konzernleitung, sondern berichtete in einer CEO-Rolle direkt an den Eigentümer, d. h. an das Oberhaupt einer chinesischen Industriellenfamilie.

Der forderte beharrlich von mir, die japanische Lean-Fertigung in Japan zu erlernen und die dortigen Lean-Methoden mit Unterstützung eines erfahrenen japanischen Kaizen-Spezialisten auch in der Schweiz anzuwenden.

Die Einführung von japanischen Lean-Methoden im gesamten 350 Mitarbeiter zählenden Controls-Unternehmen ermöglichte es, den fast dreißigprozentigen Wertverlust des Euro in den Jahren nach 2006 zu kompensieren. Der Fünfjahresplan ab 2012 sah für jedes Jahr einen EBIT über 20% vor und zeigte eine mittelfristige Verdoppelung des Umsatzes.

Mit dieser guten Perspektive und entsprechend attraktivem Kaufpreis verkaufte der hongkong-chinesische Konzern „mein“ Unternehmen Saia-Burgess Controls an den 35-Milliarden-Dollar-US-Konzern Honeywell. Es war eine Art feindlicher Übernahme durch einen riesigen Wettbewerber.

Nach dem vollzogenen Kauf im Februar 2013 ließ ich mich verpflichten, den Erfolg der Akquisition noch für 12 Monate zu unterstützen. Diese Phase wurde zur größtmöglichen Zufriedenheit von Honeywell abgeschlossen.

Im März 2014 verabschiedete ich mich von Mitarbeitern, Kunden und dem hongkong-chinesischen Alteigentümer (www.MySaia.info). Vor mir lag ein Sabbatical. Statt wie bisher rein den Eigen- und Firmennutzen zu verfolgen, wollte ich mich bewusst für das Gemeinwohl engagieren und als Publizist etwas gegen das deutsche BauUnwesen unternehmen.

Ab Mitte 2014 begann probehalber die Einführung meiner eigenentwickelten Methoden  zu integralen Unternehmenführung und -organisation bei zwei ehemaligen Kunden der Baubranche. Es sollte erprobt werden, ob meine (2ease) Methoden auch in einem völlig anderen Umfeld, ohne mich als Chef, merkbaren Nutzen bringen. Die Probe gelang. Beide Firmen sind inzwischen langfristige Lizenznehmer der neu gegründeten 2ease AG. Auch die Arbeit als Publizist zeigte sich in Wirkung und Finanzen erfolgreich.

Nach 15 Monaten „Sabbatical“-Auszeit habe ich mich als Nebeneffekt als freier Unternehmer wirtschaftlich verselbständigt. Als angestellter Unternehmer möchte ich nicht mehr arbeiten. Ein viertes Mal möchte ich mich nicht mehr unfreiwillig mitverkaufen lassen. Nach einer beruflichen Tournee durch die halbe Welt will ich meinen Arbeits- und Wohnort künftig selbst bestimmen können.

Mein künftiges Leben wird bestimmt sein durch das Engagememt für systematisch bessere Führung. Mit der 2ease AG engagiere ich mich unternehmerisch für bessere Unternehmensführung. Als Bürger Europas engagiere ich mich publizistisch für bessere Staatsführung. Im Staat führen, genauso wie in Unternehmen auch, mehr Transparenz, mehr Verantwortlichkeit und Kritik zu mehr Zukunftsfähigkeit und Effizienz. Dies bringt den Beteiligten auch mehr Freude und Erfolg.

Nach der Sabbatical Phase als Publizist in 2014 /15 habe ich mich anschliessend primär dem Thema „Kluge Führung von Menschen und Unternehmen im digitalen 21 .Jahrhundert“    gewidmet.

Aus dem publizistischen Engagement für Veränderungen zum Besseren im Bauwesen, ist ein Engagement für Veränderungen in der Führung des Staates geworden.

Mein persönliches Leitbild: http://www.zeit.de/1954/18/was-heisst-unternehmer-sein

Zitat aus der „Zeit“ Ausgabe 18/1954:

Unternehmer ist der Mann, der etwas „unternimmt“. Zu seinem Wesen gehört somit stets die schöpferische Verwirklichung, gehört Initiative, gehört Wagemut, gehört Phantasie. Allerdings wird heute oft die Befürchtung laut, dieser schöpferische Auftrag des Unternehmers werde – z. B. durch die Mitbestimmung – allseits beschnitten. Ich teile diese Meinung nicht. Im Gegenteil, beim Besuch zahlreicher Betriebe habe ich die Überzeugung gewonnen, daß sich viele Möglichkeiten dem Unternehmer, der seinen Auftrag in vollem Umfange erkennt, gerade heute eröffnen und er erhebliche Chancen hat.

Von vornherein sei noch einmal daran erinnert, daß die Legitimation, vom Eigentum her allein nicht genügt, um Unternehmer im eigentlichen Sinne des Auftrags zu sein. Wohl gilt, daß vom Eigentum her dem Unternehmer eine Freiheit zuwachsen kann, die der angestellte Unternehmer sich oft nur durch langwierige Kämpfe erobern muß. Dennoch macht das Eigentum allein noch nicht den Unternehmer. Insofern ist es gut, den Begriff des „Managers“, der heute so modisch geworden ist, mit etwas größerer Vorsicht und Zurückhaltung zu verwenden. Gewiß, der Start mag für den angestellten Unternehmer nicht so einfach sein wie für jenen Unternehmer, der Alleininhaber ist. Auch bleibt er stets in einer – auch wirtschaftlichen – Abhängigkeit, die die Wirkungsmöglichkeiten einengen kann bis zum Gewissenskonflikt hin. Aber grundsätzlich gibt es keine Scheidungslinie und sollt? deshalb auch keine gezogen werden. Grundsätzlich hat der angestellte Unternehmer die gleiche Möglichkeit und die gleichen Ziele wie der Unternehmer aus dem Eigentum. Deshalb soll hier und im Kommenden Unternehmer nur in dem allgemeinen Sinne des zur Betriebsführung Berufenen die Rede sein.

Unternehmer sein heißt aber stets auch, in einer Koordinierungsfunktion zu stehen. Einst bedeutete dies lediglich, die Produktivität des Betriebes und die Rentabilität des Unternehmens am wirkungsvollsten zu kombinieren. Heute kommt zur Rentabilität und Produktivität die Humanität hinzu. Unternehmer ist also heute der Mann, der Rentabilität, Produktivität und Humanität auf einen fruchtbaren Nenner bringen muß. Hier darf dann der Hinweis nicht fehlen, daß dies zusätzlich auch eine Koordinierung des privaten und öffentlichen Interesses bedeutet, des Verbrauchers und des Staates.

Solche Aufgaben setzen neben Kenntnis und Erfahrung vor allem Charakter voraus. Vielleicht darf man es als das Gute und Verheißungsvolle unserer Zeit buchen, daß heute keine Eigenschaft, keine Kenntnis, keine Leistung mehr isoliert bleiben kann, daß vielmehr alles in den größeren Rahmen allgemeiner menschlicher Werte eingefügt werden muß. Wie es keinen Staat an sich mehr geben kann und keine Wirtschaft an sich, so gibt es auch keinen Betrieb an sich. Es gibt nur den Betrieb im Zusammenhang und Zusammenklang des allgemeinen Daseins. Der Unternehmer aber ist der Mann, der diesen Zusammenhang herstellen muß und verkörpern soll.

Es heißt dies zunächst, daß Universalität Kennzeichen des Unternehmers sein muß. Als Schlüssel zu seinem Erfolg nannte mir ein bekannter Unternehmer, daß er auf keinem Gebiet Spezialist geworden und auf jedem Gebiet Dilettant geblieben sei. Denn der Unternehmer darf weder Nur-Kaufmann oder Nur-Techniker, er darf aber auch nicht Nur-Humanist sein. Er muß eben in besonderer Weise alles in allem sein. Die Zukunft wird erweisen, daß bei ihm die charakterlichen Werte immer schwerer ins Gewicht fallen werden. Dieses hängt damit zusammen, daß sich sein Betrieb immer stärker als soziales Gebilde verwirklichen wird. Was der Unternehmer im Betrieb auch vom Herzen her sein kann, wird eine immer entscheidendere Rolle spielen.

Somit wird wichtig, aus welchen Quellen dieser Unternehmer lebt und wie er lebt. Beispiel und Vorbild sind von ihm gefordert.